Nachtkerzen (Oenothera biennis) blühen nur wenige Stunden. In der Dämmerung öffnen sie einzelne Knospen für nächtliche Besucher. Wenn die Sonne aufgegangen ist, schließen sie ihre Blüten wieder – für immer. Wer morgens noch vom Nektar naschen möchte, muss früh aufstehen, wie diese kleine Biene, die heute um 8:06 Uhr Ihre Chance auf ein Frühstück nutzte. Die Pflanze steht im Schatten. Deshalb waren ihre Blüten noch geöffnet.

Tief unten in der Blüte findet diese Frühaufsteherin noch etwas Nektar.

Die in der Sonne hatten schon um 8 Uhr ihren „Laden“ geschlossen. Die Nächte werden jetzt, Ende August, merklich kühler und feuchter. Für mich sind deshalb Gartenanblicke, wie der folgende, mit etwas Wehmut gemischt.

Die Morgensonne bringt die Tautropfen auf den Blüten zum Schimmern und Leuchten.

Einst war die Gemeine Nachkerze oder Rapontika ein beliebtes Gemüse. Johann Wolfgang von Goethe schrieb im März 1810 an seine Christiane: „…auch lege ich Rapontika-Samen bey, davon du die Hälfte jetzt auf ein wohlbestelltes Ländchen säen kannst, die andere Hälfte erst im May auf ein anderes.“ Blätter, Blüten und Wurzeln kann man essen, weshalb die Pflanze einst auch Schinkenwurz hieß. Mit den Wurzeln meiner Pflanzen werde ich nichts mehr anfangen können. Sie haben all ihre Kraft in die Blüte gesteckt, sind nun ausgepowert und kurz vor dem Absterben. Allenfalls die Knospen könnte ich noch braten, aber die sind mir zu schade. Es blüht nur noch wenig im Garten und diese Blüten werden sich alle noch öffnen – für eine Nacht. Deshalb will ich diesen „Laden“ für Insekten offen halten.

Heute Abend öffnet sich der „Laden“ wieder für nächtliche und frühmorgendliche Besucher.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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