An diesem kühlen sonnigen Morgen hat mich der Giersch (Aegopodium podagraria) in meinem Garten überrascht – mit einer Perlenkette. Sie zog sich glitzernd von Blattspitze zu Blattspitze. Das ist kein Tau. Der legt sich gleichmäßig auf die Blätter. Diese Tropfen sind etwas anderes. Biologen nennen sie „Guttation“ von lateinisch „guttta“, Tropfen. Die Pflanzen haben transpiriert, vulgo geschwitzt. Das geschieht besonders in kühlen Morgenstunden, wenn der Boden sehr feucht ist und wärmer als die Luft.
Einmal darauf aufmerksam gemacht, entdeckte ich das Phänomen frühmorgens auch an anderen Pflanzen, z.B. an den Blättern von Prachtspieren oder Astilben. Wenn am frühen Morgen an den Spitzen der Blätter von Maiglöckchen (Convallaria majalis) Wassertropfen im Sonnenlicht funkeln, handelt es sich um das gleiche Phänomen.
Pflanzen sind Schluckspechte. Sie trinken nicht nur, um nicht zu vertrocknen. Sie trinken auch, weil sie auf diese Weise Nährstoffe aus dem Boden nach oben in ihre Blätter und Blüten transportieren. Gut zu sehen ist das bei der Gewöhnlichen Akelei (Aquilegia vulgaris) auf dem folgenden Foto, die sich auf die Blüte vorbereitet. Wer die Guttation beobachten will, muss früh aufstehen. Sobald es warm genug ist, kann die Pflanzen das Wasser auf ihren Blättern wieder verdunsten. Der Eß- und Trinkvorgang wird für unser bloßes Auge unsichtbar.