Ackerwildkräuter haben keine Lobby. Für die meisten Landwirte sind sie Unkraut, dem sie mit allem zu Leibe rücken, was die moderne Chemie bieten kann. Deshalb sind viele dieser Pflanzen so selten geworden, dass sie vom Aussterben bedroht sind. Das Projekt „100 Äcker für die Vielfalt“ hat sich zum Ziel gesetzt, Äcker mit „herausragendem Arteninventar“ zu erhalten, kleine Flächen zumeist, verstreut in ganz Deutschland. Hier wächst das Getreide nicht dicht an dicht, wie auf konventionellen Äckern, sondern in lockerem Abstand, wie zu Zeiten unserer Urgroßeltern. Und es ist eingebettet in einen „Pflanzenzoo“ bedrohter Arten.
Zarte Grüße aus der Vergangenheit
Susanne von Redecker betreibt einen Biohof in Schoolbek im Norden Schleswig-Holsteins und nimmt teil an dem Projekt „100 Äcker für die Vielfalt“. Sie führt uns zu einem Acker, auf dem in diesem Jahr Triticale steht, eine Kreuzung aus Weizen (Triticum aestivum L.) und Roggen (Secale cereale L.). Mit gekommen ist der Botaniker Dr. Stefan Meyer von der Universität Göttingen, der das Projekt „100 Äcker“ mit betreut. Innerhalb weniger Minuten ist er zwischen dem Getreide und den blau blühenden Kornblumen verschwunden und ruft uns immer wieder Namen zu: „Bauernsenf“, „Kahles Ferkelkaut“ oder „Knäuel“. Alle wachsen bodennah, sind klein und unscheinbar, also keine wirkliche Konkurrenz zum Getreide. Deshalb erinnert ihre Suche eher ans Bernsteine Sammeln.
Perlmuttfalter sucht Acker-Veilchen
Und dann entdeckt Meyer mitten im Acker auch den Kleinen Perlmuttfalter (Issoria lathonia). Kein Wunder, denn dessen Raupe frisst ausschließlich an Veilchen, in der Regel am Acker-Veilchen (Viola arvensis). Auf dem Rückweg finden wir am Rand eines Bio-Kartoffelackers auch noch ein Acker-Löwenmaul (Misopates orontium), früher eine typische Art der Hackfruchtkultur, zu der Kartoffeln oder Rüben gehören. Die rosa blühende Pflanze wurde im Volksmund mit besonders ausdrucksvollen Namen bedacht: Affenschädel, Hundsschädel, Kalbsnase oder Todtenköpfel.