Die Natur macht mal wieder, was sie will. Jetzt im Juni beginnt meine kleine Wiese zu blühen. Mit meinem Kosmos-Naturführer kann ich die meisten Blumen bestimmen. Beim Vergleich mit den Namen des Saatgutes stellt sich heraus: Kaum etwas ist, wie es sein soll. Die gelben Kreuzblütler, die alles um 30 Zentimeter überragen, waren nicht in der Mischung. Den Senf hatte mein Vater vor zehn Jahren einmal als Bienenweide ausgesät, nun zeigt er sich wieder. Der mickerige orangefarbene Mohn entzieht sich jeder Bestimmung. Eine Wicke finde ich in der Saatgutmischung, aber nicht diese.
Gekommen, um zu bleiben
Ich habe es mit Immigranten zu tun, wie die Recherche ergibt. Die Schmalblättrige Wicke (Vicia angustifolia) mit den rosa Blüten lebt seit mehr als 2000 Jahren auf unseren Äckern. Sie soll in der Hallstattzeit (800 bis 450 v. Chr.), benannt nach Gräbern in Hallstatt im Salzkammergut, aus dem Mittelmeer als Kulturfolger der Ackerbauern bei uns einwandert sein, und auch bei dem zarten weißen Acker-Stiefmütterchen (Viola arvensis) handelt es sich um eine Immigrantin aus vorchristlicher Zeit. Sie ist zudem eine Überlebenskünstlerin, die inzwischen gegen viele Herbizide resistent ist.
Blüte mit Explosionsmechanismus
Die Kornblume (Centaurea cynaus) befand sich in der Mischung ebenso wie der klein und gelb blühende Hopfenklee (Medicago lupulina). Insekten lieben seine Blüten und die bedankt sich mit einem „Explosionsmechanismus“. Wenn eine Biene oder ein Schmetterling sie besucht, schnellen die Staubblätter aus dem Schiffchen der Kleeblüte heraus und bleiben am Bauch des Insekts hängen. Hopfenklee ist übrigens mit der Luzerne verwandt, die rosa blüht, früher viel als Futtermittel angebaut wurde, bis der Mais sie verdrängte. Dabei ist Luzerne viel resistenter gegen Trockenheit, lockert mit ihren bis zu fünf Meter tiefen Wurzeln den Boden tiefgründig auf und verhindert Erosion, wie es sie bei den starken Regenfällen in Süddeutschlands auf zahllosen Flächen gegeben hat.