Heike Jeromin hat die Fensterscheibe ihres Autos heruntergekurbelt und schaut durch ihr Spektiv, ein „einäugiges“ Fernrohr. „Da läuft ein Kiebitz. Jetzt muldet er. Das heißt, er baut ein Nest.“ Als ich auch durchschauen darf, sehe ich einen schwarz-weißen Vogel mit einem zweizipfligen Federbusch auf dem Kopf, der seine Brust immer wieder tief in den matschigen Boden drückt und sich dabei dreht. „Mulden“ ist bei Kiebitzen (Vanellus vanellus) Männersache. Jeromin: „Er zeigt dem Weibchen dann die Stelle. Das Weibchen sagt OK, die können wir nehmen, schmeißt noch ein paar Ästchen in die Mulde, setzt sich drauf und legt die Eier. Das ist sehr spartanisch.“
Maulwurfshügel als Wachturm
Es ist Mitte April und ich besuche Heike Jeromin. Die Biologin arbeitet für das Michael-Otto-Institut, eine Außenstelle des NABU in Bergenhusen. Jetzt im Frühjahr zählt sie die Nester von bedrohten Wiesenvögeln: Kiebitzen, Uferschnepfen, Brachvögeln. Deren Verhalten ist ihr vertraut wie das ihrer eigenen Kinder. „Da steht ein Kiebitz auf einem Maulwurfshügel. Das ist eigentlich ein Zeichen, dass er was hat.“ Sie meint damit ein Nest. „Wenn sie ein Gelege haben, wacht er auf einem Maulwurfshügel, damit er den Überblick hat. Deswegen hat der Kiebitz es gerne offen und frei.“
Steinchen werfen
Auf einem Zaunpfahl sitzt eine Uferschnepfe (Limosa limosa), lange Beine, langer gerader Schnabel, roter Hals. „Wenn die auf den Zaunpfahl geht, dann kommt bald was“, sagt Jeromin und es klingt, als ob sie eine Schwangere beschreibt, die kurz vor der Entbindung steht. Und so ist es ja auch fast. Im Gras hinter dem Männchen wirft sein Weibchen emsig kleine Steinchen hinter sich. „Die macht Scheinnestbau. Da sind die Hormone schon auf Brüten eingestellt.“ Übrigens fangen die Vögel erst an zu brüten, wenn das letzte Ei gelegt ist. Jeromin: „Das ist von der Natur ganz klug eingerichtet, damit alle Küken nachher gleichzeitig schlüpfen.“