Hauptsache feucht ist das Motto der Wiesen-Iris oder Sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica). Wer, wie ich, die Pflanzen aus Großmutters Garten herüber gerettet hat, kann sich über anspruchslose tiefblau leuchtende Garten-Schönheiten mit eindrucksvoll gezeichneten Blüten freuen. Wiesen-Iris sind die perfekte Partnerin für die ambitionierte no-work-Gärtnerin. Sie wollen in Ruhe gelassen werden, vertragen keinen Dünger und kein Herumschnippeln an ihrem abtrocknenden Laub im Herbst.

Die Blüte der Wiesen-Iris ist dreigeteilt. Jeder der drei Teile wird separat befruchtet.

Heute Nacht hat es heftig geregnet. Das ist auch den Wiesen-IrisBlüten nicht gut bekommen. Dafür gelang mir heute morgen zum ersten Mal der Blick tief in einen „Blütenschlund“. Wiesen-Iris sind „Einkriechblumen“. „Küss mich“ scheinen sie weithin sichtbar den großen kräftigen Hummeln zu zu rufen, von denen sie bestäubt werden. Die Hummeln landen auf dem dramatisch gezeichneten Hängeblatt und zwängen sich in die Blume hinein, um an den tief unten verborgenen Nektar zu gelangen. Dabei berühren sie mit ihrem Rücken die dunkle längliche Narbe und laden dort Blütenstaub ab.

Am frühen Morgen nach dem Regen öffnet sich der Blick auf Griffel und Narbe.

Ursprünglich wuchsen Sibirischen Schwertlilien wild auf sonnigen feuchten Wiesen, sind dort aber immer seltener anzutreffen. Dafür haben sie die Garten-Center erobert. Seitdem sind sie kaum wieder zu erkennen. An die tiefblaue Schönheit erinnert allenfalls noch die Blütenform, denn Pflanzenzüchter können nichts so lassen, wie es uns die Natur geschenkt hat. Deshalb gibt es Wiesen-Iris mittlerweile in Hellblau, Gelb-Weiß oder Schneeweiß. Nach ein paar Jahren am gleichen Standort werden die Horste innen kahl, die Blüten spärlicher. Bei mir ist es wieder soweit.

Zum Umpflanzen nutzt man am besten die äußeren Teile des Horstes, nicht das verholzte Innere.

Dann müssen die verholzten Horste ausgegraben, geteilt und neu eingepflanzt werden. Das schaffen nur starke Männer-Arme. Die Alternative: Erst den Horst teilen und dann versuchen, die kleineren Stücke nacheinander auszugraben, um sie wieder neu einzupflanzen. Auf dem Foto lässt sich gut erkennen: Bislang habe ich mich um diese Arbeit gedrückt. Sogar die Brennnessel (Urtica dioica) steht noch da. Ich finde, ein schöner Garten darf nicht zu perfekt sein.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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