Wenn meine Großmutter ein Mann attraktiv fand, nannte sie ihn ein „staatsches Mannsbild“. Dann wussten wir: Er ist groß, stattlich und sieht gut aus. Daran muss ich denken, wenn ich die „staatsche“ Kardendistel (Dipsacus fullonum) in meinem Garten bewundere. Es ist das erste Mal, dass sie auf meiner kleinen Wiese blüht. Vielleicht hat der nasse Winter sie überzeugt, dass es sich bei mir gut leben lässt, denn sie mag gern feuchte Böden.

Die Blüten der Wilden Karde öffnen sich ringförmig von der Mitte aus nach unten und oben.

Gut zwei Meter hoch wird die Wilde Karde, wie die heimische Schönheit auch heißt. Bienen und Schmetterlinge finden ihre kratzbürstigen Blüten höchst attraktiv. Im Winter sind es Vögel wie Stieglitze (Carduelis carduelis), die es auf die dicken, nahrhaften Samen abgesehen haben.

Für Schmetterlinge und Hummeln hält die Wilde Karde viel süßen Nektar bereit.

Wilde Karden sind Zisternenpflanzen. In den Tropen wachsen sie auf Bäumen, sammeln Wasser und Nährstoffe einem kleinen Wasserbecken im Zentrum der Pflanze. Wurzeln bilden sie nur, um sich an Bäumen festzukrallen. Die einst als Zimmerpflanzen so beliebten Bromelien gehören dazu. Die Blätter der Wilden Karde sind so angeordnet, dass die Blattpaare am Stängel kleine Schüsseln bilden. In denen sammelt sich Tau, den Vögel oder durstige Wanderer trinken können.

Der Tau an den Blätter der Wilden Karde fließt zu einer Vertiefung am Stängel.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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