Wenn meine Großmutter ein Mann attraktiv fand, nannte sie ihn ein „staatsches Mannsbild“. Dann wussten wir: Er ist groß, stattlich und sieht gut aus. Daran muss ich denken, wenn ich die „staatsche“ Kardendistel (Dipsacus fullonum) in meinem Garten bewundere. Es ist das erste Mal, dass sie auf meiner kleinen Wiese blüht. Vielleicht hat der nasse Winter sie überzeugt, dass es sich bei mir gut leben lässt, denn sie mag gern feuchte Böden.
Gut zwei Meter hoch wird die Wilde Karde, wie die heimische Schönheit auch heißt. Bienen und Schmetterlinge finden ihre kratzbürstigen Blüten höchst attraktiv. Im Winter sind es Vögel wie Stieglitze (Carduelis carduelis), die es auf die dicken, nahrhaften Samen abgesehen haben.
Wilde Karden sind Zisternenpflanzen. In den Tropen wachsen sie auf Bäumen, sammeln Wasser und Nährstoffe einem kleinen Wasserbecken im Zentrum der Pflanze. Wurzeln bilden sie nur, um sich an Bäumen festzukrallen. Die einst als Zimmerpflanzen so beliebten Bromelien gehören dazu. Die Blätter der Wilden Karde sind so angeordnet, dass die Blattpaare am Stängel kleine Schüsseln bilden. In denen sammelt sich Tau, den Vögel oder durstige Wanderer trinken können.