Als ich meinem Nachbarn den gerade geschlüpften Falter (Foto oben) zeige, ist er alarmiert. „Buchsbaumzünsler“, murmelt er und dass ich ihn umbringen soll. In der Tat: Auch der Buchbaumzünsler (Cydalima perspectalis) ist ein schwarz-weißer Falter (Foto unten). Aber er fliegt nachts, und die Zeichnung der Flügeldecken ist eine völlig andere.

Gefräßiger Schädling: Der Buchbaumzünsler frisst Buchsbaumhecken ratzekahl.

Meinen Falter habe ich als – vermeintlich – grüne Raupe kennengelernt. Sie saß an der Scheibe meines Wintergartens. Ich hielt sie zunächst für eine Bläulings-Raupe, doch einen Tag später war aus der grünen Raupe eine knapp 1,5 cm große Puppe geworden, die mit einem Faden über ihrem Bauch an der Scheibe befestigt war. Die grüne „Raupe“ war die Vorstufe zur Puppe. Im Netz kann man wunderbar sehen, wie sie sich aus dem Raupenkörper schält.

https://www.youtube.com/watch?v=_oSEBX5bDno

Ich habe sie vorsichtig abgenommen, um zu beobachten, wie der Falter schlüpft. Das wäre fast schief gegangen. Heute morgen entdeckte ich ihn hilflos auf dem Rücken liegend in seinem Aufbewahrungsgefäß. Ich sah nur die gelben Flügelunterseiten. Von allein konnte er sich nicht umdrehen. Zum Glück hatte er genug Kraft, um sich an meinem Finger festzuklammern. Ich setzte ihn auf eine Blüte, damit er seine Flügel trocknen lassen konnte.

Mein kleiner Kohlweißling trocknet seine Flügel auf einer Bauern-Hortensie.

Drei Stunden saß der Kleine Kohlweißling (Pieris rapae) dort und mir kamen Zweifel, ob ich ihm unbeabsichtigten Schaden zugefügt habe, zumal einer seiner Flügel einen Knick hatte.

Ich hoffe, der Knick im Flügel behindert ihn nicht.

Irgendwann nach der Mittagszeit war er weg – ob er es von allein geschafft hat, ob ein Vogel ihn weggepickt hat – ich weiß es nicht. Als Puppe an der Fensterscheibe hätte er vermutlich auch nicht überlebt. Aber die Aktion war mir eine Lehre: Gut gemeinte Eingriffe in natürliche Zusammenhänge bewirken oft das Gegenteil. Die leere Exuvie, die Hülle aus der er geschlüpft ist, liegt ganz zart und durchscheinend als Erinnerung auf meiner Fensterbank.

Weil die Puppe auf der Seite lag, konnte der Falter sich nicht richtig rückwärts aus ihr befreien.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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