Der erste Herbststurm fegte durch unsere hohe Weißdornhecke, und am Boden lag einer ihren vielen Mitbewohner: ein dicker Ast vom Schwarzen Holunder (Sambucus nigra). Seine Zweige ragten schon länger fast kahl in den Himmel. Wir haben ihn stehen lassen, denn ein wenig Totholz im Garten fördert die Vielfalt. 

Der wahre Bösewicht

Als ich die Äste wegräumen wollte, zeigte sich, dass es gar nicht der Sturm war, der dem Holunder den Garaus gemacht hat. An der Bruchstelle entdeckte ich den dunkelbraunen, lappenartigen Fruchtkörper eines Pilzes. Er hat dem Holunder vermutlich schon länger zugesetzt, sodass er nun dem Sturm zum Opfer fiel.

Judasohr

Der Pilz ist weltweit verbreitet und hat viele Namen: Holunderpilz heißt er, weil er am liebsten das Holz von Schwarzen Holunder „frisst“. „Ohrlappen-“ oder „Wolkenohrpilz“ wird er wegen der Form seiner Fruchtkörper genannt. Am gebräuchlichsten ist jedoch „Judasohr“, botanisch Auricularia auricula-judae. Judas war einer der zwölf Jünger Jesu. Der Überlieferung hat er hat Jesus mit einem Kuss verraten und sich danach aus Gram an einem Holunderbaum erhängt. 

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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