Ein dunkler sich bewegender Fleck auf dem Asphalt, kaum zu erkennen in der Dunkelheit: Es war ein kapitaler Maikäfer, der auf dem Rücken lag und vergeblich versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Ich hielt ihm einen Finger hin. Furchtlos oder vielleicht auch aus Ermattung griff er mit seinen sechs Beinen zu und ließ nicht wieder los. Maikäfer haben kräftige Füße. Wenn sie über die Haut krabbeln, fühlt sich das an wie eine Mischung aus kratzen, kribbeln und pieksen.
Immer Richtung Nordpol
Der kleine Kerl auf meiner Hand hat drei bis vier Jahre als Engerling im Boden verbracht und sich von abgestorbenen Pflanzenteilen und Wurzeln ernährt, z.B. denen des Löwenzahns. Im Herbst vergangenen Jahres schlüpfte er aus seiner Puppe, ist aber bis vor wenigen Tagen im Boden geblieben, übrigens mit dem Kopf Richtung magnetischem Nordpol. Warum? Das weiß nur er selbst. Lange zu leben hat er jedenfalls nicht mehr, aber er hat noch etwas Wichtiges vor. Er ist auf Brautschau.
50 000 Sensoren
Wie einen Fächer hat er die Lamellen mit den 50 000 Sensoren an der Spitze seiner Fühler aufgestellt, gierig auch den zartesten Duft eines Weibchens zu empfangen. Wenn er sich gepaart hat, wird mein kleiner Maikäfermann sterben. Das Weibchen legt circa 60 Eier in den Boden, dann stirbt auch sie. Ihre Nachkommen werden wieder jahrelang Wurzeln fressen und mit Glück in vier Jahren neue Maikäfer zeugen. Deshalb hatte mein liebeshungriger Käfermann für Fotos eigentlich keine Zeit. Er krabbelte immer wieder davon, so dass die Kamera ihn nicht scharf einfangen konnte, bevor er sich mit einem dunklen Gebrumm in die Nacht erhob. Ich hoffe, er hat eine Frau gefunden.