Bei Sonne ein beliebte Tankstelle.

Kürzlich habe ich eine Freundin besucht, die alte Bücher sammelt und verkauft. Sie hat u.a. die Bibliothek unserer ehemaligen Biologielehrerin übernommen, nachdem die im Alter von 103 gestorben war. Seitdem gibt es bei ihr viele historische Bücher über die Natur zu kaufen. Ich habe eines über die Wiese als Lebensgemeinschaft entdeckt, das aus dem Jahr 1947 stammt. Damals gab es noch natürlich bunte Wiesen, weil Pestizide, Güllewagen und vier- bis sechsfache Mahd nicht möglich waren.

Schlafbewegungen

Das Buch ist eine zauberhafte Reise in die Vergangenheit. Ein Kapitel beschäftigt sich mit der Nachtruhe von Pflanzen. „Honig und Blütenstaub sind Gaben, mit denen die Blumengäste bewirtet werden“, heißt es da. „Diese Gaben müssen gegen Regen und Tau geschätzt werden.“ Wer genau hinschaut kann abends bei Wiesen- und Gartenblumen solche „Schlafbewegungen“ feststellen. Ihre Blumenstiele krümmen sich oder neigen sich hakenförmig zurück, bis die Blütenblätter sich wie Regenschirme über Nektar und Pollen legen.

Offenherzige Gastgeberin

Offen bleiben nur die ganz kleinen Blüten, so der Botaniker und Autor des Buches Karl Bertsch. Sie haben so wenig Nektar und Pollen, dass der abends schon vertrocknet ist oder von Insekten abgeholt wurde. Vielleicht bleiben deshalb die Blüten von meinem Waldmeister (Galium odoratum) abends offen, die von meinem Wald-Scheinmohn (Meconopsis cambrica) hingegen schließen sich. Sobald sie sich wieder öffnen, sind die Erdhummeln da. Sie durchwühlen die Blüten minutenlang. Offensichtlich ist der Wald-Scheinmohn eine besonders offenherzige Gastgeberin.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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