Alles muss raus – wer das einem Garten antut, begeht ein Verbrechen: an der Natur, an der Geschichte und an denen, die diesen Garten zuvor liebevoll gehegt haben. Ich rate zum Abwarten und zuschauen, was wächst. Denn erstens sind die Pflanzen, die dort schon über Jahre leben, immer widerstandsfähiger als diejenigen aus dem Gartencenter. Und zweitens beherbergen alte Gärten zuweilen Raritäten, die man gar nicht mehr kaufen kann.
Blühende Lilien färbten Äcker orange
In meinem Garten blühen seit einigen Wochen orangefarbene Lilien. „Mit denen bin ich aufgewachsen“, sagt mein Vater (87). Heute habe ich erfahren, dass es sich bei ihnen um etwas ganz Besonderes handelt, denn ich war bei Familie Bergmann in der Göhrde. Die Feuerlilie, Lilium bulbiferum subsp. croceum, wie sie mit ihrem botanischen Namen heißt, wurde 1853 in den Niederlanden erstmals beschrieben. Dort wuchs sie „in so großer Zahl im Winterroggen, dass einige Äcker sich orangerot färbten“, sagt der niederländische der Feuerlilienexperte Fred Bos. Bei den Landwirten habe sie als „ausdauerndes und unausrottbares Unkraut“ gegolten.
Mit der Kartoffel kam das Ende
Winterroggen ist ein anspruchsloses Getreide, das auch auf armen Böden gedeiht, zum Beispiel in der Heide. Und so findet sich eines der letzten Vorkommen der Feuerlilie auf den extensiv bewirtschafteten Äckern der Familie Bergmann. Fred Bos ist dort ein regelmäßiger Gast. „Als statt Roggen vermehrt Kartoffeln angebaut wurden, war das das Ende der Feuerlilie“, erzählt der Niederländer. Er hat auch die Geschichte der Feuerlilien erforscht. „Bauern gruben sie zusammen mit den Kartoffeln aus und verkauften die begehrten Knollen“, so Bos. Es war das Ende der „ausdauernden und unausrottbaren“ Pflanze. Auf den Äckern der Familie Bergmann darf sie noch wachsen, und ihr „Feldlilienpfad“ ist zur Pilgerstätte von Lilien-Fans aus aller Welt geworden.