Wenn vor meinem Arbeitszimmer der Zaunkönig (Troglodytes troglodytes) seine Liebesarie schmettert, ist die Pandemie vergessen. Der kleine Kerl weiß nichts von Corona, er weiß nichts von Lockdown. Zaunkönige können bis zu sieben Jahre alt werden. Für ihn sitze ich schon immer in dem Zimmer unter seinem Nest, so wie der Efeu an der Wand schon immer da ist. Bei schönem Wetter lockt der Zaunkönig mich hinaus in den Garten. In unserem alten Weidenbaum brummt es tief und friedvoll. Die Erdhummeln sammeln auf den Kätzchen Pollen und Nektar.
Es ist eine Salweide (Salix caprea) und ihr Stamm zerfällt gerade vor unseren Augen. Schon wird er vom Giersch (Aegopodium podagraria), dem Schrecken aller „Sauber-Gärtner“ überwuchert. Trotzdem blüht die Weide Jahr für Jahr, denn aus dem morschen Holz wächst ein neuer Stamm empor.
Salweiden sind Überlebenskünstler, und sie sichern anderen Lebewesen das Überleben: im Frühjahr den Bienen und Schmetterlingen mit Nektar und Pollen. Für etwa hundert Insekten ist die Saalweide ein Futterbaum. Selbst das alte Holz lebt. Es klingt als ob „jemand“ an dem Holz raspelt und es frisst. Morsches Holz ist für manche Käfer eine Delikatesse. Unsere Weide wird es überleben.