„Ich konnte hören, wie sie fraß. Es klang als mampfte jemand sehr Kleines unablässig Selleriestangen.“ Allein für den Satz muss man dieses Buch lieben. In Das Geräusch einer Schnecke beim Essen erzählt Elisabeth Tova Bailey, die wegen einer Krankheit lange ans Bett gefesselt ist, vom Mikrokosmos ihres Zimmers, das sie mit einer Schnecke teilt. Ich habe das Büchlein zu Weihnachten geschenkt bekommen, in Leinen gebunden, nicht größer als meine Hand. Inzwischen ist es auch als Taschenbuch erschienen.
„Veilchentopfabenteuer„
Mit Schnecken ist es ähnlich wie mit Faltern: Wir lieben die Schmetterlinge, aber nicht ihre Raupen. Wir sammeln die vielgestaltigen Schneckenhäuser, ihre schleimigen Bewohner sind uns zuwider. So ging es Bailey, bis eine Freundin ihr von einem Waldspaziergang eine Schnecke mitbrachte und einen Blumentopf mit einem Veilchen, gedacht als Futter für die Schnecke.
Das Zimmer als Mikrokosmos
Es kommt anders. Die Schnecke verschmäht das Veilchen, knabbbert stattdessen Briefpapier und Postkarten, bis die Autorin ihr Passenderes bietet. So wird das Zimmer zum Mikrokosmos des Lebens und die Langsamkeit der Schnecke der Weg zur Genesung. Man sollte „versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben“, hat Rainer Maria Rilke einst geschrieben. Das gilt selbst für Fragen, die man sich nie gestellt hat, z.B. wie Schnecken essen. Meine Weinbergschnecke oben auf dem Foto beispielsweise hat 40 000 Zähne. Sie haben richtig gelesen: vierzigtausend. Ein Haifisch ist nichts dagegen.
https://www.piper.de/buecher/das-geraeusch-einer-schnecke-beim-essen-isbn-978-3-492-30237-1