„Nun fressen sie auch noch Vogeleier auf!“, sagt eine Gartenfreundin, als ich ihr das Foto (oben) zeige. Bei dem Wort Nacktschnecke glitzert es gefährlich in ihren Augen. Sie erzählt, dass sie abends mordend durch ihren Garten geht, alle Nacktschnecken entzwei schneidet, die sie auf den ersten Blick findet, dann eine halbe Stunde wartet, weil sie weiß: Die Artgenossinnen kommen, um die Leichen zu vertilgen. Dann killt sie auch die und geht zufrieden ins Bett. „Am nächsten Morgen sind alle weg“, freut sie sich. Was sie nicht bedenkt: Weitere Artgenossinnen haben sich an den Hinterlassenschaften ihrer gärtnerischen Mordlust gelabt.

Die Weißmündige Bänderschnecke begnügt sich mit absterbenden Pflanzenteilen und Algen.

Ich halte es mit friedlicher Koexistenz. Die Garten-Bänderschnecke oder Weißmündige Bänderschnecke (Cepaea hortensis) richtet kaum Unheil an. Sie kommt in vielerlei Gestalt daher: in gelb wie auf dem Foto, in rosa, mit schwarzen Bändern oder ohne. Die gefürchtete Rote Wegschnecke (Arion rufus) frisst am liebsten Klee, und davon finden sie auf meinem Rasen genug.

Sex bei Wegschnecken kann Stunden dauern. Als Ergebnis legen beide Partner hunderte Eier.

Schön ist der Anblick nicht, vor allem nicht wenn Wegschnecken Sex haben. Ich würde sie trotzdem nicht dabei stören wollen. Sex ist etwas Heiliges. Außerdem sind Nacktschnecken die Müllabfuhr in der Natur: Sie putzen alles weg, von Hundekot bis zu toten Mäusen auf Waldwegen.

Schwarze Wegschnecken sieht man am ehesten in feuchten Wäldern.

Sogar die Schale eines herabgefallenen Vogeleis wird sauber geputzt. Hätte sich darin noch ein (toter) Jungvogel befunden, hätte die Schwarze Wegschnecke (Arion ater) auch den gefressen. Schnecken sind Kannibalen und Allesfresser. Ob sie dazu auch vor Mord zurück schrecken – ich will es lieber nicht so genau wissen.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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