Vor einigen Jahren durfte ich, ausgestattet mit Schneeschuhen, eine neu angelegte Moorfläche betreten, was sonst verboten ist und auch nicht ratsam, denn die Gefahr ist groß, zu versinken und sich in eine Moorleiche zu verwandeln. Die Schneeschuhe sehen ein wenig aus wie zu kurz geratene Skier. Weil sie das Gewicht auf eine große Fläche verteilen, konnte ich damit über das Torfmoos laufen, ohne tief einzusinken. Dabei entstand das Foto des Rundblättrigen Sonnentaus (Drosera rotundifolia, oben). Gut zu erkennen sind die roten Tentakeln, an deren Spitzen es wie Tautropfen glitzert. Damit geht die Pflanze auf Insektenfang. Raoul Heinrich Francé nannte sie deshalb eine „Raub- und Mordpflanze“.
Francé war Biologe und viele Jahre einer der wichtigsten Autoren der Zeitschrift Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde. In dem kleinen Bändchen über Das Sinnesleben der Pflanzen beschreibt er, wie der Sonnentau vorgeht. Lässt sich eine „ahnungslose Mücke“ oder eine „begierige Fliege“ auf den vermeintlichen Tautropfen nieder, ist es um das Tier geschehen. Die Tentakeln, die er „Fühlhörner“ nennt, greifen, „eine nach der anderen, langsam aber mit unfehlbarer Sicherheit nach dem Opfer, binnen einer bis drei Stunden haben sich fast alle auf die unglückliche Mücke gesenkt, deren Schicksal entschieden ist“. Bei größeren Insekten, wie einer Libelle, würden auch die anderen Blätter „den Braten wittern“, „herbei eilen“, und „gewissermaßen nach der Beute greifen“, wie Francé auf seiner Zeichnung dargestellt hat.
Moore sollen zukünftig beim Kampf gegen den Klimawandel eine größere Rolle spielen. Bislang werden sie zumeist trocken gelegt und emittieren Klimagase. Werden sie wieder vernässt, muss es neue Nutzungsmöglichkeiten geben. Eine wäre der Sonnentau. Seit dem 13. Jahrhundert ist er als Heilpflanze bekannt. Ein Unternehmen in Greifswald hat sich zum Ziel gesetzt, ihn auf neu angelegten Torfmoosrasen anzubauen. Das könnte eine von vielen Möglichkeiten werden, Moore nachhaltig zu nutzen und gleichzeitig unser Klima zu schützen.